Olympiaberichterstattung
claquecoeur in 'Zeug'

Kommt es nur mir so vor oder ist es wirklich so, dass dieses Jahr die Athleten gnadenlos niedergemacht werden? Aus gegebenem Anlass very british.
Die Schwimmer haben "vollkommen versagt", andere Sportler "enttäuschten", um nur einige Kommentare zu zitieren.
Sie erinnern sich, früher wurde immer alles schön geredet:
Wenn die Fußballer verloren, dann war der Rasen zu nass da wurde konsequent ignoriert, dass die Gegner auf dem gleichen Rasen spielten .
Bei großen Fußballturnieren werden hierzulande vorrangig Spiele mit deutscher Beteiligung übertragen, blöd, wenn man gerne die Topteams spielen sähe.
Als wir uns für ein Spiel mit englischer Beteiligung interessierten, hörten wir einen britischen Radiosender:
England verlor und nach Ansicht der britischen Kommentatoren wohl zu Recht.
Erbarmungslos wurde das eigene Team kritisiert und beschimpft. Sehr ungewohnt für deutsche Hörer, aber irgendwie auch erfrischend.
Überhaupt die Sache mit der deutschen Beteiligung....
Dass den Sportreportern und -kommentatoren das nicht peinlich ist!
Deutsche Beteiligung ist gegeben, wenn der Schiedsrichter deutsch ist, ja sogar wenn Riccardo Montolivo mitspielt!
Der vorläufigen Gipfel der Armseligkeit war erreicht, als man Usain Bolt daran erinnerte, dass Herr Müller-Wohlfahrt ihn behandelt hatte und ihm abverlangte, Deutschland einen Anteil an seinem Sieg zuzubilligen.




deutschkritisch am 14.Aug 12  |  Permalink
Ja, aber ...
In der Tat war die Berichterstattung aus nationalchauvinistischer Sicht bemerkenswert. Das mit Usain Bolt auch irgendwie Deutschland gewonnen haben soll, ist ein besonders gutes Beispiel für die Tendenz, sich selbst mit fremden Federn zu schmücken. Präzedenzfall dafür war wohl der deutsche EM-Sieg Griechenlands 2004.

In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist auch die zum Ende der Schwimmwettbewerbe ausgerufene "Krise des deutschen Sports" für ein Land, das nach Medaillenwertung auf Platz 6 und nach Anzahl der Medaillen auf Platz 5 der - im übrigen aus Sicht des IOC inoffiziellen - Nationenwertung liegt. Damit ist das deutsche Olympiateam das erfolgreichste europäische Team, was aus nationalsportlicher Sicht nicht ausreichend zu sein scheint. Mit Blick auf die Höherplatzierten kann dahinter nur der maßlose und unrealistische Anspruch stehen, mittelfristig mit den Sportgiganten USA, Russische Föderation und China gleich ziehen zu wollen.

Spannend auch, dass deutsche Teilnehmende als "Siebtschnellste" (von acht) in Ziel kamen. Nennenswerte Sportlerinnen anderer Nationalitäten wurden unter gleichen Umständen natürlich Vorletzte. Da kann man weiterargumentieren, dass es in einem solchen Fall doch echt unfair ist, wenn trotzdem der oder die Achtletzte gewinnt.

Aber dass die Sportlerinnen und Sportler der Olympiaauswahl harter Kritik ausgesetzt werden, die bis hin zu persönlichen Angriffen reicht, ist weder Fortschritt noch Grund zu verhaltener Schadenfreude, sondern Ausdruck weiter gesteigerten nationalen Anspruchsdenkens.

In dieser Form hörte man Kritik an Personen bislang nur in Bezug auf Einwandererpopulationen und Hartz-IV-EmpfängerInnen. Da ging es um mangelnde deutsche Tugenden, fehlende Fitness und falsche Einstellungen, wo Ruhm und Ehre erwartet wurde.

"Erfrischend" ist dieser Stil doch nur für deutschnational Bewegte, die sich beim Abspielen der Hymne scheinbar verschämt eine Träne von der Wange schnippen möchten und um diesen wohligen Moment mangels Goldplatzierungen ein ums andere Mal betrogen fühlen. Denen wird durch diesen Stil ihrem deutschnationalen Ärger nach dem Munde geredet.

Schließlich ist Großbritannien kein Musterbeispiel einer antinationalen Gesellschaft. Die BBC wurde bereits in der ersten Woche für ihre einseitige, auf britische Sportlerinnen und Sportler verengte Berichterstattung kritisiert und soll ihren Stil in der zweiten Woche etwas modifiziert haben.

vert am 14.Aug 12  |  Permalink
;-)