Mitbewohnerschaft gesucht
claquecoeur in 'what goes on in my life'

Wie der Titel bereits sagt, befinde ich mich derzeit -zu meiner eigenen Überraschung - auf der Suche nach Mitbewohnerschaft.
An und für sich hatten wir uns schon geeinigt, sie wollte am Montag vorbeikommen, um den Vertrag zu unterschreiben, was ich als feste Zusage wertete, bis ich nachmittags die Absage per Mail erhielt.
Nun suche ich also, bekomme quasi im Halbstundentakt Besuch und weiß schon gar nicht mehr, wem ich was bereits erzählte.
Heute dann eine Begegnung der besonderen Art: Ich bekam Besuch von einem jungen Mann, der ein potentieller Mitbewohner war, seiner Cousine (?), deren Mann und ihrem Kind. Er sprach gar nicht mit mir, wagte kaum mich anzusehen, betrat weder Küche noch Bad, von seinem möglichen Zimmer ganz zu schweigen. Nach ein, zwei kleinen Versuchen, mit ihm zu kommunizieren, sprach ich nur noch mit der Frau, die nach Möbeln für das leere Zimmer fragte.
Sie blieben nicht lange, unterhielten sich so gut wie gar nicht mit mir, er erzählte nichts über sich, auf Nachfrage erfuhr ich (von seiner Cousine) immerhin sein Alter. Ich fragte gar nicht erst ob stehen oder sitzen und hielt sie nicht auf, als die dreieinhalb sich recht schnell wieder verabschiedeten.
Ca. 10 Minuten später ein Anruf der Frau:
- Ob er das Geschirr mitbenutzen dürfe oder eigenes brauche. Eine Waschmaschine sei sicherlich vorhanden.
~Natürlich könne er das Geschirr benutzen und die Waschmaschine sei ausgezogen. Es müsse also noch für Ersatz gesorgt werden.
-Also gebe es eine Waschmaschine.
~Nein, derzeit nicht.
-Also gebe es einen Waschsalon ím Haus?
~Nein, jede Partei habe ihre eigene Maschine, aber die unsere sei wie erwähnt mitausgezogen.
-Wie und wo ich denn dann immer meine Wäsche wasche?
~Da sie erst vor 3 Tagen ausgezogen sei, hätte ich mir darüber noch nicht richtig Gedanken gemacht.
Hatte ich zwar getan, das hätte das Gespräch aber nur verkompliziert.
Während der nächste Interessent da war, erhielt ich nicht weniger als 6 ! Anrufe sowie 2 SMS.
Kaum war ich wieder allein, begann ich die Liste abzuarbeiten: Die erste SMS: "Das mit der Waschmaschine habe ich nicht verstanden." , die zweite lautete "Wenn ich zusagen will, wie kann ich das tun"
Seufzend machte ich mich daran zu antworten, erklärte die Sache mit der Waschmaschine und verwies auf das Wochenende als Entscheidungstermin. Dann beschloss ich nun lieber erst die weiteren Anrufe abzuarbeiten, bevor ich mich um die Mails etwaiger weiterer Interessenten kümmerte.
Der letzte: eine Festnetznummer. Als ich anrief sprach ich mit irgendjemandem, der mich fragte, ob ich aus XX sei, was ich bestätigen konnte. Ob ich gerade Besuch von einem Arzt gehabt habe. Das hingegen verneinte ich (gesund wie ich war) in der Gewissheit, dass es sich um ein merkwürdiges Missverständnis handeln müsse. Mir wurde jedoch erklärt, dass der schweigsame junge Mann Arzt sei, einen Deutschkurs mache (hier wusste ich, dass wir von der gleichen Person sprachen, denn das hatte die Cousine mir gesagt) und dass seine beiden BegleiterInnen ebenfalls Ärzte seien. Er selbst sei der Onkel des jungen Mannes, der ihm erzählt habe, dass er sehr gerne bei mir einzöge. Er hätte auch bereits versucht mir zuzusagen. Sein Neffe nehme (wohlgemerkt nicht "nähme") das Zimmer, eröffnete man mir.
Ich erwiderte möglichst höflich, also defensiv, dass ich erst am Wochenende über die neue Mitbewohnerschaft entscheiden könne, da zuvor noch weitere Interessenten vorbeikämen. Erfuhr aber nur neuerlich, dass der junge Mann einziehen werde.
Daraufhin gab ich die defensive Strategie auf und erläuterte dem Onkel, dass ich andere BewerberInnen vorzöge, da sein Neffe gar nicht mit mir gesprochen habe.
-Er sei nur schüchtern. .... und er mache einen Deutschkurs.
~Das wisse ich, dennoch habe er gar nicht mit mir gesprochen und am Telefon hätten wir immerhin 2 kurze englische Sätze gewechselt.
-Er habe nichts falsches sagen wollen.
~Das könne ich verstehen, da er aber gar nichts gesagt habe und ich ihn absolut nicht habe kennenlernen können, tendierte ich zu anderen Kandidaten.
~Sein Neffe habe also keine Chance.
Leider war ich wohl einen kurzen Moment unaufmerksam und geriet erneut in die Fänge der Diplomatie, die mich erklären ließ, dass ich erst am Wochenende entscheiden könne, dass ich aber ganz offen sein wolle und ihm daher sagen müsse, dass sein Neffe nicht gerade meine Nummer 1 sei.
~Er könne mich anrufen, bot der Onkel an.
Bedauerlicherweise ist mir bis jetzt nicht klar, wozu das gut sein sollte, so dass mir nichts anders übrig blieb, als darauf hinzuweisen, dass das unnötig sei.
~Ob er seinem Neffen raten solle, noch weiter zu suchen.
Offen gestanden überraschte mich diese Frage etwas, denn er suchte eine Unterkunft für die nächste Woche und ich hatte mich meines Erachtens bislang kaum ausreichend kooperativ gezeigt, damit er voller Gottvertrauen die weitere Suche hätte einstellen zu können. Daher bejahte ich diese Frage unverblümt, was nun wiederum den Onkel erstaunte.
Ich erspare Ihnen einen Teil des weiteren Hin und Hers.
Endlich schien es mir gelungen zu sein dem Onkel klarzumachen, dass mein Besucher allenfalls minimale Chancen darauf hatte, bei mir einzuziehen. Gerade glaubte ich, er hätte das nun akzeptiert, da änderte er seine Taktik:
-Ich sollte mir das noch mal überlegen. Ich müsste nie mehr zum Arzt gehen, wenn ich ihn bei mir einziehen ließe, da er ja Arzt sei und den Deutschkurs mache, um seinen Facharzt hier in Deutschland zu machen. Die Frau, die ihn begleitet hätte, sei ebenfalls Ärztin ( sie ist übrigens eine Nichte des Onkels, aber von der anderen Seite... ich weiß jetzt alles über die Verwandtschaftsverhältnisse...), ebenso wie ihr Mann, der ja auch dabei gewesen sei. Sein Neffe sei Chirurg (Es war schon immer mein sehnlichster Wunsch, mich auf dem eigenen Küchentisch aufschneiden zu lassen!), die Nichte Internistin und der Mann Orthopäde. Und eine andere Nichte sei Gynäkologin! Aus irgendeinem mir nicht ersichtlichen Grund schien das der Trumpf schlechthin zu sein. Allerdings nur so lange, bis ihm einfiel, dass sie nicht in Deutschland lebt. Es sei also für alles gesorgt.
Tapfer hielt ich an mich, quälte mir einen Scherz über die drohende Rundumversorgung über die Lippen und konnte nun endlich das Telefonat beenden.
Letzter Stand - ca. eine Dreiviertelstunde nach dem Telefonat mit Frankfurt - : "Ich bin für das zimmer interessiert und würde es gerne nehmen. Schönen Abend! XY"




blindekuh am 26.Sep 13  |  Permalink
Herrlich,
es gibt doch hin und wieder Situationen, die einem sehr unwirklich erscheinen, selbst wenn man sie gerade live erlebt. Die klingt sehr nach einer eben solchen.